KI-Texttools sind der größte Produktivitätskiller seit der Erfindung von Meetings ohne Agenda. Starke Behauptung? Vielleicht. Aber wer schon einmal verzweifelt in einem 200 Nachrichten langen Chat-Verlauf nach dieser einen brillanten Formulierung gesucht hat, weiß genau, wovon ich rede.
Letzte Woche ist mir genau das passiert. Ich wusste, ich hatte eine geniale Zielgruppenbeschreibung, die ChatGPT einen lasergenauen Text entlockte. Musste „irgendwo in diesem Chat von Anfang Dezember“ sein. Spoiler: Nach 25 Minuten habe ich aufgegeben und neu angefangen.
Was für eine Zeitverschwendung! Also habe ich mich hingesetzt und ein KI-Textsystem entwickelt, das mir jetzt endlose Suchereien spart. Funktioniert ohne IT-Abteilung. Ohne neue Software. Ohne drei Tage Einarbeitungszeit. Wäre das auch etwas für Sie?
Wenn Ihr Chat aussieht wie ein Zufallsgenerator auf Ecstasy
Das Problem beim Texten mit KI-Tools ist nicht die KI. Es ist das fehlende System dahinter. Statt in geordneten Bahnen zu arbeiten, enden wir in einem Chaos aus:
- Die Prompt-Vermischung: In einem einzigen Chat-Verlauf wimmelt es von Anweisungen für Überschriften, Leads, Bodycopy und CTAs. Alles vermischt mit Feedback, Anpassungen und spontanen Einfällen.
- Die Versionierungs-Katastrophe: Version 2 war besser als Version 5, aber Version 3 hatte diesen einen genialen Absatz… Oder war es doch Version 4? Und welche Version haben Sie eigentlich dem Kunden geschickt?
- Die Wiederholbarkeits-Illusion: „Das haben wir doch schon mal gemacht!“ Ja, haben Sie. Nur finden Sie den Prompt dafür nicht mehr, weil er in irgendeinem Chat von vor drei Monaten versandet ist.
Klingt vertraut? Willkommen im Club der digitalen Textsammler. Ein Club, der Sie Zeit, Nerven und nicht zuletzt Qualität kostet. Denn seien wir ehrlich: Unter Druck greifen wir oft zur erstbesten Lösung – nicht zur besten.
Fünf Ordner für ein Halleluja
Der Ausweg aus diesem Dilemma ist simpel, aber wirkungsvoll: Hören Sie auf, chat-basiert zu denken. Beginnen Sie, in Projekten zu organisieren. Konkret bedeutet das:
Für jedes Textprojekt ein eigener Ordner auf Ihrer Festplatte. Keine Ausnahmen, keine Kompromisse.
Die Ordnerstruktur, die ich Ihnen jetzt zeige, habe ich nach monatelangem Chat-Chaos entwickelt. Sie ist das Ergebnis von unzähligen verlorenen Textperlen, verzweifelten Suchaktionen und dem festen Entschluss, nie wieder in diese Falle zu tappen.
Für jedes Textprojekt legen Sie einen Hauptordner an, der klar benannt ist. Beispiel:
„Produktlaunch_Website_2025-03„. Datum immer mit dabei, denn Sie werden überrascht sein, wie oft ähnliche Projekte wiederkehren.
In diesen Hauptordner erstellen Sie fünf Unterordner:
- 01_Prompts: Hier kommen alle Anweisungen an die KI, sauber nach Textelementen sortiert.
- 02_Entwürfe: Alle Textversionen mit klarer Nummerierung.
- 03_Feedback: Kommentare, Änderungswünsche und eigene Notizen zum Text.
- 04_Final: Die endgültige(n) Version(en) plus eventuelle Varianten.
- 05_Assets: Zusatzmaterial wie Recherche, Bilder, Links, Referenzen.
Wichtig: Die Nummerierung der Ordner ist kein Designgimmick. Sie stellt sicher, dass Ihre Ordner immer in der richtigen Reihenfolge angezeigt werden – egal welches Betriebssystem Sie nutzen.
Kopieren Sie diese Struktur als Template – nicht für jedes Projekt neu erfinden! So starten Sie jedes neue Projekt mit der gleichen Struktur, ohne jedes Mal darüber nachdenken zu müssen.
Prompts sind keine Gedichte. Sie sind Werkzeuge
Der größte Fehler im Umgang mit KI-Texterstellung? Prompts wie Einweg-Nachrichten zu behandeln. Sie sind keine flüchtigen Gedanken. Sie sind die Werkzeuge, mit denen Sie Ihre Texte formen. Behandeln Sie sie auch so.
Unsystematische Prompts haben drei entscheidende Nachteile:
- Sie sind nicht wiederverwendbar
- Sie sind nicht optimierbar
- Sie sind nicht dokumentierbar
Die Lösung beginnt bei der Benennung:
Jede Prompt-Datei sollte nach ihrer Funktion und Version benannt werden: „Headline_V2.txt“, „Produktbeschreibung_Final.txt“. Das Datum fügen Sie nur bei wichtigen Überarbeitungen oder Änderungen hinzu. Insbesondere dann, wenn es notwendig ist, genau nachzuvollziehen, wann eine Anpassung vorgenommen wurde.
Jeder gute Prompt besteht aus zwei entscheidenden Elementen:
- Die Rollenanweisung: Hier definieren Sie, wer die KI sein soll. Nicht vage, sondern konkret. Statt „Schreib mir einen guten Text“ nutzen Sie: „Du bist KI-Texter und erfahrener Marketingjournalist für die Fachzeitschrift XY…“
- Die Zielgruppenbeschreibung: Hier wird es konkret. Wer liest den Text? Was treibt diese Person an? Welche Probleme hat sie? Je plastischer, desto besser. Erfinden Sie einen Namen, ein Alter, eine Lebenssituation. Die KI braucht ein mentales Bild.
Ein Beispiel für den Unterschied:
Chaotischer Prompt: „Mach den Text nochmal besser und überzeugender für Marketingleute.“
Strukturierter Prompt: „Überarbeite die Headline Version 3 mit Fokus auf Problemlösung. Denk daran: Du schreibst für Martina, 42, Marketingleiterin in einem mittelständischen Unternehmen, die unter ständigem Zeitdruck steht und nach schnellen, nachweisbaren Ergebnissen sucht.“
Glauben Sie mir: Ein guter Prompt ist mehr wert als drei Stunden ChatGPT-Diskussion. Speichern Sie Ihre besten Prompts! Sie sind die Goldminen Ihrer zukünftigen Texterstellung.
Was ist noch frustrierender ist als verlorene Textpassagen?
Das sind Ordner voller Dateien wie:
„Final_wirklich_final_jetzt_aber_wirklich_final.docx“
Okay, okay, solche Ordner hatte ich auch mal ;-) Dabei ist das Grundprinzip einer funktionierenden Versionierung simpel:
Klare Nummerierung plus Kurzkommentar zur wichtigsten Änderung. Die ideale Dateibenennungsstruktur sieht so aus:
„[Textelement]V[Nummer][Kurzkommentar].docx“
Beispiel: „Produktbeschreibung_V3_kürzer.docx“
Ein oft übersehener Trick: Begrenzen Sie sich auf maximal 3-5 Hauptversionen. Zu viele Versionen führen zu Entscheidungslähmung und Verwirrung. Nicht jede kleine Änderung verdient eine neue Versionsnummer.
Fragen Sie sich: Ist das eine echte inhaltliche Richtungsänderung oder nur eine Feinabstimmung?
Wenn Sie noch organisierter machen wollen: Legen Sie für die Dokumentation von Änderungen eine separate Datei an. Ein einfaches Template könnte so aussehen:
Änderungshistorie: Produktbeschreibung
V1 (12.03.): Erster Entwurf basierend auf Prompt „Produktbeschreibung_Initial.txt“
V2 (13.03.): Kürzung um 30%, Fokus auf technische Details reduziert
V3 (14.03.): Überarbeitung nach Kundenfeedback, mehr Emotionalität
FINAL (15.03.): Freigabe durch Geschäftsführung
Der psychologische Trick gegen die „Final_wirklich_final“-Spirale:
Definieren Sie von vornherein, was „Final“ bedeutet. Ist es die Version nach Kundenfreigabe? Nach Rechtsprüfung? Legen Sie fest, wann ein Text wirklich final ist – und halten Sie sich daran.
Jetzt wird’s konkret:
Wie sieht der komplette Workflow aus, von der ersten Idee bis zum fertigen Text?
Hier mein Prozess, der mir über 30% mehr Zeit schenkt.
Schritt 1: Projektvorbereitung
- Ordnerstruktur anlegen (oder kopieren)
- Zielgruppe definieren und in einer separaten Datei im Prompts-Ordner speichern
- KI-Rolle definieren (ebenfalls separate Datei im Prompts-Ordner)
Diese Vorbereitung dauert etwa 5-10 Minuten. Zeit, die Sie später vielfach reinholen.
Schritt 2: Erster Durchlauf
- Erstellung des Basis-Prompts durch Kombination von Rolle, Zielgruppe und spezifischer Aufgabe
- Speicherung der ersten Version im Entwurfs-Ordner
- Schnelle Bewertung: Ist die Richtung grundsätzlich richtig?
Schritt 3: Schrittweise Verbesserung
- Feedback einholen (von sich selbst, Kollegen, Kunden) und im Feedback-Ordner dokumentieren
- Prompt-Anpassung mit klarem Fokus auf die wichtigsten 1-2 Verbesserungspunkte
- Neue Version speichern mit aussagekräftigem Namen
- Wiederholung bis zur Zufriedenheit (aber nicht öfter als 3-5 Mal)
Schritt 4: Finalisierung
- Letzte Anpassungen (oft manuell, nicht mehr durch KI)
- Speicherung verschiedener Ausgabeformate im Final-Ordner (wenn nötig)
- Kurze Dokumentation des Prozesses für Wiederverwendung
Das klingt nach mehr Arbeit? Ist es. Das kostet Sie vielleicht 15 Minuten – die Ihnen später Stunden sparen. Denn beim nächsten ähnlichen Projekt können Sie den kompletten Prozess kopieren und anpassen, statt bei Null anzufangen.
Kompliziert? Nö. Dafür gibt’s ja diesen Spickzettel zum Herunterladen ;-)

Herunterladen, ausdrucken und auf Ihren Schreibtisch legen. So haben Sie die Struktur immer im Blick und Ihre Texte unter Kontrolle.
Und wenn Sie gerne noch ein praktisches Beispiel wollen, bitte sehr:
Vom Chaos zum Blogbeitrag in 5 Schritten
Genug Theorie? Dann lassen Sie uns den kompletten Prozess anhand eines konkreten Beispiels durchspielen:
Sie möchten einen Fachbeitrag für Ihre Unternehmenswebsite schreiben.
Ausgangslage: Einen 1500-Wörter-Fachbeitrag zum Thema „Digitale Transformation im Mittelstand“ schreiben.
Schritt 1: Ordnerstruktur
Legen Sie einen Hauptordner „Blogbeitrag_Digitale_Transformation_2025-03″ an mit den fünf Unterordnern (siehe Spickzettel)
Schritt 2: Prompts definieren
Erstellen Sie im Prompts-Ordner drei Dateien:
- „Rolle_Fachautor.txt“: „Du bist ein erfahrener Wirtschaftsjournalist mit Schwerpunkt Digitalisierung…“
- „Zielgruppe_Mittelstand.txt“: „Der Leser ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens…“
- „Aufgabe_Blogbeitrag.txt“: „Erstelle einen 1500-Wörter-Fachbeitrag zum Thema…“
Schritt 3: Erste Version generieren
Kombinieren Sie die drei Prompts, generieren Sie den ersten Entwurf und speichern Sie ihn als „Blogbeitrag_V1_komplett.docx“ im Entwürfe-Ordner.
Schritt 4: Überarbeitung und Verbesserung
Nach dem ersten Lesen stellen Sie fest: Die Einleitung ist zu theoretisch, die Praxisbeispiele fehlen. Dokumentieren Sie das Feedback in „Feedback_Erstversion.txt“ und erstellen Sie einen neuen Prompt: „Überarbeite die Einleitung mit Fokus auf ein konkretes Fallbeispiel…“.
Speichern Sie die neue Version als „Blogbeitrag_V2_praxisnäher.docx“.
Schritt 5: Finalisierung
Nach einer weiteren Überarbeitung sind Sie zufrieden. Speichern Sie die finale Version als „Blogbeitrag_Digitale_Transformation_FINAL.docx“ im Final-Ordner, zusammen mit einer kurzen Dokumentation des Prozesses.
Der Unterschied zum chaotischen Ansatz?
Statt einem unübersichtlichen Chat mit 50+ Nachrichten haben Sie nun ein geordnetes Projekt. Bei der nächsten ähnlichen Aufgabe kopieren Sie einfach die Struktur, passen die Prompts an, und sparen mindestens 30% der Zeit.
Bonus: digitale Helfer, die den Prozess noch effizienter machen
Aber, bevor Sie sich da hinein vertiefen: Erst mal den Workflow händisch ausprobieren. Es soll ja Menschen geben, die sich gerne von Tools ablenken lassen, nur um nicht texten zu müssen ;-)
Für die Textbearbeitung: Obsidian oder Notion sind hervorragend für verknüpfte Notizen und können Ihre Prompts und Textversionen in Beziehung setzen.
Für die Versionskontrolle: Diese Tools hier sind eher was für Nerds. Wollte sie aber nicht unerwähnt lassen: Mit GitKraken oder GitHub Desktop bekommen Sie eine visuelle Oberfläche für perfekte Versionskontrolle.
Für schnelle Dokumentation: Greenshot oder Flameshot erstellen mit einem Tastendruck Screenshots mit Anmerkungen – perfekt für die visuelle Dokumentation von Feedback. Auch die Chrome-Erweiterung Fireshot ist sehr hilfreich.
Für den Export aus KI-Tools: Browser-Erweiterungen wie „Copy as Markdown“ für Google Chrome holen Texte sauber aus dem Chat und bewahren die Formatierung.
Mein Tipp zum Schluss: Fangen Sie heute an – mit einem einzigen Projekt. Der Rest kommt von selbst. Spätestens beim dritten Projekt werden Sie sich fragen, wie Sie jemals anders arbeiten konnten.